
HSSE-Audits 2025: Worauf Gutachter wirklich achten
„Ein Audit ist wie ein Röntgenbild – es zeigt nicht, was wir sehen wollen, sondern was tatsächlich da ist.“
So erleben viele Unternehmen ihre HSSE-Audits. 2025 stehen Gutachter mehr denn je vor der Aufgabe, nicht nur Gesetzestreue zu kontrollieren, sondern die tatsächliche Wirksamkeit von Prozessen und Strukturen in den Bereichen Health, Safety, Security & Environment zu bewerten. Während einige Firmen stolz auf digitale Lösungen, ESG-Berichte und präventive Systeme verweisen können, offenbaren Audits immer wieder die gleichen Schwachstellen: veraltete Gefährdungsbeurteilungen, fehlende Nachweise oder Notfallpläne, die nie geübt wurden.
Doch worauf achten Gutachter wirklich – und was bedeutet das für Fach- und Führungskräfte?
Der rechtliche Rahmen: Von Europa bis Deutschland
Audits im HSSE-Bereich orientieren sich nicht nur an Managementsystemen wie ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001 oder ISO 27001, sondern auch an einer Vielzahl rechtlicher Anforderungen.
Zu den wichtigsten Grundlagen gehören:
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Europäisches Recht
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Arbeitsschutz-Richtlinien (z. B. 89/391/EWG Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz) und deren nationale Umsetzung.
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Umweltrechtliche Vorgaben: Industrieemissionsrichtlinie (2010/75/EU), Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EG), REACH-Verordnung (EG Nr. 1907/2006).
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Cybersecurity: NIS-2-Richtlinie (2022/2555/EU) als neue Grundlage für Security- und IT-Sicherheitsprüfungen.
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ESG/CSRD: Berichtspflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive.
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Deutsches Recht
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ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) und Verordnungen (z. B. BetrSichV, GefStoffV).
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KrWG (Kreislaufwirtschaftsgesetz) und BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz).
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WHG (Wasserhaushaltsgesetz) für Gewässerschutz.
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IfSG (Infektionsschutzgesetz) in Bezug auf Hygiene und Pandemiepläne.
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BSIG (Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) im Zusammenhang mit kritischer Infrastruktur und IT-Sicherheit.
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Ein Auditor betrachtet daher immer sowohl die gesetzlichen Mindestanforderungen als auch die Wirksamkeit der internen Managementsysteme.
Typische Schwerpunkte bei HSSE-Audits 2025
a) Health – Arbeitsschutz und Gesundheit
Auditoren prüfen, ob die gesetzlichen Pflichten zum Arbeitsschutz nicht nur dokumentiert, sondern tatsächlich umgesetzt werden.
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Typische Mängel:
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Veraltete oder unvollständige Gefährdungsbeurteilungen.
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Fehlende Unterweisungen oder Nachweise über Schulungen.
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Unzureichende Maßnahmen gegen psychische Belastungen – ein wachsendes Thema durch die Pflicht nach ArbSchG § 5.
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Positiv-Trend: Viele Unternehmen setzen stärker auf digitale Unterweisungen und Lernplattformen.
Praxisbeispiel:
In einer Maschinenbaufirma zeigte die Gefährdungsbeurteilung noch den Stand von 2020 – seitdem wurden neue Anlagen installiert. Folge: Mitarbeitende arbeiteten ohne dokumentierte Risikobewertung. Die Konsequenz war eine klare Abweichung im Audit – verbunden mit der Empfehlung, ein regelmäßiges Review-System einzuführen.
b) Safety – Arbeitssicherheit und Technik
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Typische Mängel:
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Prüfintervalle von Arbeitsmitteln nicht eingehalten (BetrSichV).
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Explosionsschutzdokumente fehlen oder sind veraltet (GefStoffV, ATEX).
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Notfall- und Evakuierungspläne nicht praktisch erprobt.
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Positiv-Trend: Viele Unternehmen setzen verstärkt auf präventive Wartungsprogramme und digitale Instandhaltungssysteme.
Praxisbeispiel:
In einer Lebensmittelproduktion bestand ein funktionierender Notfallplan nur „auf dem Papier“. Auf Nachfrage nach einer letzten Evakuierungsübung zeigte sich: Diese hatte nie stattgefunden. Der Mangel wurde aufgenommen – und erst nach einer nachträglichen Übung als behoben bewertet.
c) Security – Schutz vor Bedrohungen
Die Dimension Security hat durch Cyberangriffe, geopolitische Unsicherheiten und NIS-2 massiv an Bedeutung gewonnen.
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Typische Mängel:
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IT-Sicherheitsrichtlinien existieren, werden aber nicht umgesetzt.
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Zutrittskontrollen sind unzureichend, Schlüsselmanagement oft lückenhaft.
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Awareness-Schulungen gegen Social Engineering fehlen.
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Positiv-Trend: Gerade mittelständische Unternehmen investieren stärker in Informationssicherheit nach ISO 27001.
Praxisbeispiel:
In einem Chemieunternehmen war der Zugang zum Leitstand technisch zwar geschützt, jedoch nutzten mehrere Schichtleiter dasselbe Passwort. In der Praxis bedeutete das: Keine Rückverfolgbarkeit, hohes Risiko. Der Auditbefund führte zu einer sofortigen Anpassung der Berechtigungskonzepte.
d) Environment – Umweltmanagement
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Typische Mängel:
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Abfallverzeichnisse und Nachweise nach KrWG unvollständig.
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Gefahrstofflagerung nicht nach TRGS 510.
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Fehlende Nachweise zur Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen.
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Positiv-Trend: Zunehmend bessere Datenaufbereitung zu Energie- und Ressourceneffizienz im Zuge von ESG.
Praxisbeispiel:
Bei einem Audit in einem Logistikzentrum zeigte sich, dass die Abscheideranlage für ölhaltiges Abwasser seit Monaten nicht geprüft wurde. Nach WHG § 62 eine klare Pflichtverletzung. Die Empfehlung lautete: Festlegung von Prüffristen und automatisierte Erinnerungssysteme.
Was fällt Auditoren besonders oft auf?
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Dokumentation veraltet oder unvollständig – Formulare sind da, aber spiegeln nicht die Realität wider.
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Schulungen nicht nachweisbar – Mitarbeitende sind geschult, aber Belege fehlen.
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„Papiermanagementsystem“ statt gelebter Praxis – Prozesse sehen gut aus, sind aber nicht wirksam.
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Notfallmanagement schwach – Pläne existieren, werden aber nicht geübt.
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Schnittstellenprobleme – HSSE ist in vielen Firmen fragmentiert (Arbeitssicherheit, Umwelt, IT-Sicherheit arbeiten nebeneinander).
Was hat sich 2025 verbessert?
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Bewusstsein in der Geschäftsführung: HSSE ist häufiger Thema auf Leitungsebene, oft durch ESG-Berichte getrieben.
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Digitalisierung: Elektronische Nachweisführung, Lernplattformen, Wartungsapps erleichtern Compliance.
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Verknüpfung mit Nachhaltigkeit: Umwelt- und Arbeitsschutz sind nicht mehr nur Pflicht, sondern Teil der Unternehmensstrategie.
Was wollen wir als Auditoren erreichen?
Ein Auditor verfolgt nicht das Ziel, Unternehmen „zu erwischen“. Es geht darum, Risiken sichtbar zu machen und Verbesserungspotenziale aufzuzeigen:
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Rechtssicherheit schaffen: Verstöße gegen EU- oder nationales Recht vermeiden.
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Unfall- und Umweltschäden verhindern: Prävention statt Reaktion.
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Unternehmenskultur stärken: Compliance als gelebtes Prinzip, nicht als Zwang.
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Transparenz für Stakeholder: Nachweise, die auch externen Prüfungen (Behörden, Investoren) standhalten.
Zitat aus der Praxis: „Ein guter Auditbericht ist kein Strafzettel, sondern ein Werkzeugkasten. Er zeigt, wo das Unternehmen schon stark ist – und wo es besser werden kann.“
HSSE-Compliance als Zukunftsaufgabe
HSSE-Audits 2025 sind mehr als ein Pflichttermin. Sie sind ein Spiegel für Unternehmenskultur, Sicherheit und Nachhaltigkeit.
Die Schwerpunkte haben sich verschoben: Weg von reiner Dokumentationsprüfung hin zur Wirksamkeit und praktischen Umsetzung. Wer sich rechtzeitig vorbereitet, die gesetzlichen Anforderungen konsequent erfüllt und HSSE in den Alltag integriert, wird Audits nicht als Bedrohung erleben – sondern als wertvolle Standortbestimmung.
Für Unternehmen bedeutet das:
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Prozesse müssen nicht nur dokumentiert, sondern gelebt werden.
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Schwachstellen sind keine Blamage, sondern Chancen.
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HSSE ist kein isoliertes Thema, sondern ein integraler Bestandteil moderner Unternehmensführung.
HSSE-Audits sind kein Selbstzweck. Sie schützen Unternehmen vor Risiken, sichern Rechtskonformität und schaffen Vertrauen bei Mitarbeitenden, Kunden und Behörden. Entscheidend ist nicht die perfekte Dokumentation, sondern ein System, das in der Praxis funktioniert – von der Gefährdungsbeurteilung über Cybersecurity bis zum Umweltschutz.
Als Gutachter und Berater unterstütze ich Unternehmen dabei, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen, gesetzliche Vorgaben sicher einzuhalten und HSSE-Systeme praxisnah, auditfest und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Wer Compliance nicht nur als Pflicht, sondern als Chance begreift, verwandelt Audits in einen echten Wettbewerbsvorteil.